Stormarner Tageblatt 24.07.2021
Auf Augenhöhe seien die Schäden noch wuchtiger, als es auf Luftbildern scheine, so die Einsatzkräfte
Patrick Niemeier und Peter Wüst
Die vorliegenden Luftbilder, die Einsatzbesprechungen, die digitalen Vorbereitungen – all das verblasste laut Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein ein wenig, als sie in der Katastrophen-Region in Bad Neuenahr-Ahrweiler am frühen Vormittag des 23. Juli eintrafen. „Die Einsatzkräfte kannten die Zerstörungen zwar von Luftbildern und aus Besprechungen. Aus der normalen Perspektive merke man noch deutlicher, mit welcher Wucht das Wasser durchgerauscht ist“, sagt Norman Schumann von der 2. Feuerwehrbereitschaft Stormarn, die zu den Einheiten gehört, die direkt in der Stadt eingesetzt wird. „Die Bilder, die sich hier auftun, sind apokalyptisch und surreal“,berichtet auch Reiner Kersten von der Freiwilligen Feuerwehr Altenholz.
Solidarität bei den Anwohnern ist groß
Vor Ort sei man auf massive Zerstörungen gestoßen. Der Kurpark sei komplett unterspült. Die Wucht des Wassers werde klar, wenn man sehe, dass die Asphaltdecke quasi umgedreht wurde. Häuser sind teilweise eingestürzt oder stehen kurz vor dem Einsturz. Die Anwohner vor Ort seien trotz der katastrophalen Verhältnisse sehr herzlich und dankbar. Besonders beeindruckt habe man sich von der Solidarität gezeigt. Dass so viele Helfer aus Schleswig-Holstein nach Rheinland-Pfalz gekommen seien, um direkt mit anzupacken, sei überwältigend. Und obwohl sie selbst zum Teil Versorgungsprobleme haben, teilen die Bewohner mit den Einsatzkräften. So wird berichtet, dass zwei junge Bewohnerinnen, die sich als Nina und Silke vorstellten, zwei Töpfe voller frischer Würstchen für die Einsatzkräfte organisierten.
Garagen und Tiefgaragen werden leergepumpt
Die eingesetzten Einheiten pumpen Garagen und Tiefgaragen leer, spritzen größere Schlammmengen ab, beseitigen Trümmerteile aus Garagen und Häusern und helfen allgemein bei den Aufräumarbeiten. Das Ausmaß der Zerstörung sei „wuchtig“. „Wir sind weiterhin natürlich sehr vorsichtig bei unserer Arbeit, weil immer wieder Versorgungsleitungen und Stromleitungen aus dem Boden ragen, die freigespült wurden“, erklärt Schumann. Die Kräfte seien zwar beeindruckt von den vorgefundenen Schäden, aber motiviert und hochkonzentriert. Ein Rädchen greife ins andere. Sie wissen, dass jetzt die Arbeit noch Stunden dauern und gehen sehr tatkräftig vor. Seit 9 Uhr am 23 Juli sind die Kräfte mittlerweile in Bad Neuenahr-Ahrweiler.
Die Fahrt in die Region dauerte unter den vorhandenen Umständen länger als normalerweise, weil teilweise die Ein- und Ausfahrtsstraßen sowie Brücken zerstört sein. Alle Fahrzeuge der Helfer aus dem Norden seien daher mit der Fähre „Linz-Remagen“ über den Rhein gebracht worden. Zuvor hatte es Kritik daran gegeben, dass die Mehrheit der Einheiten 48 Stunden auf den ersten Einsatz wartete. Trotz des Frustes laufe es jetzt sehr gut, wie Kerstens bericht „Das ist eine sehr schlagkräftige und super ausgebildete Truppe, die sehr engagiert und gut geführt ist. Die wollen hier anpacken.“ Wie lange der Einsatz am Freitag direkt vor Ort noch andauern werde, sei noch nicht klar (Stand 15.15 Uhr). Die generelle Ablösung der Kräfte ist für morgen geplant. Das Innenministerium des Landes versucht momentan eine Möglichkeit zu finden, dass die Fahrzeuge aber vor Ort bleiben können, wenn eine komplette Ablösung der ehrenamtlichen Helfer möglich sei.
„Aufstehen!“ hieß es um 4.30 Uhr im Lager der Einsatzkräfte aus Schleswig-Holstein in Windhagen an der A 3 in Rheinland-Pfalz. Zum Teil hatten sie seit vielen Stunden auf genau diesen Moment gewartet, jetzt war er gekommen: der Einsatzauftrag für die Katastrophenregion.