Stormarner Tageblatt 04.12.2021
Die Corona-Pandemie verschärft den Azubi-Notstand im Stormarner Handwerk
Volker Stolten
Das Handwerk hat goldenen Boden“, heißt es. So ist es auch. Wenngleich der Boden Verschleißspuren und leichte Risse aufweist. Grund ist der Fachkräftemangel, den es schon Jahre vor Corona gab. Das Virus, das seit nunmehr knapp zwei Jahren um sich greift, hat diese Misere allerdings noch verschärft und inzwischen eine weitere heraufbeschworen: den Azubi-Notstand. Lockdown hier, Einschränkungen da. Da blieb und bleibt auch weiterhin einiges auf der Strecke, was die Daten, Zahlen und Fakten der Arbeitsagentur Bad Oldesloe in ihren Monatsberichten unterstreicht. Und ein Ende ist (noch) nicht abzusehen.
Wobei nicht alle Bereiche gleichermaßen betroffen sind. Während beispielsweise die Gastronomie-Branche an der Pandemie ganz schwer zu schlucken hat, sieht es bei den Handwerksbetrieben etwas besser aus. Dennoch sind auch hier Lehrlinge Mangelware. „Es gibt nicht nur den einen Grund, warum in diesem Jahr im Kreis zum 30. September 205 Ausbildungsstellen mehr als in den Vorjahren unbesetzt geblieben sind“, erklärt Grit Behrens, Geschäftsführerin operativ bei der Agentur für Arbeit in Bad Oldesloe.
Bereits seit 2016 sei die Lehrlings-Situation angespannt, seien die Zahlen rückläufig, so Behrens: „Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung zusätzlich verschärft. Es konnten weder Ausbildungsmessen, Schülerpraktika oder Betriebsbesuche stattfinden. Genauso waren berufsorientierende Angebote oder persönliche Berufsberatungen nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich“, stellt die Geschäftsführerin operativ klar. Doch gerade diese Angebote seien entscheidend für die Berufswahl. Das sieht Francois Romano ebenso. Er sitzt an der Basis, ist Geschäftsführer der Premium Carport GmbH + Co. KG in Bad Oldesloe, Zimmerermeister, Obermeister der Kreishandwerkerschaft Stormarn und in der Handwerkskammer Lübeck verankert und vernetzt.
Beispielsweise sei durch Corona das unterschwellige Angebot bei Berufsmessen weggebrochen. Dabei sei das Angebot bisher immer eine gute Chance für junge Leute gewesen, ohne große Hürden und auf Augenhöhe mit Azubis der vielschichtigen Unternehmen Kontakt aufzunehmen und interessante Informationen am Messestand zu erhalten oder selbst mal Hand anzulegen, so der 45-jährige Obermeister, der hier stellvertretend für viele andere Handwerksfirmen in Stormarn steht. Wie zahlreiche andere Betriebe wünscht sich auch Francois Romano mehr Lehrlinge. Einen Azubi im zweiten Lehrjahr hat er, „zwei weitere würde ich einstellen“. Die Auftragslage sei stabil und gut, auch wenn durch steigende Materialkosten die Marge geringer ausfalle, merkt der Zimmerermeister an.
Derzeit sei die Situation leider so, wie sie sei. Sie werde sich aber in Zukunft auch wieder verbessern, ist er überzeugt. Zumal im Handwerk gute Gehälter gezahlt würden. Die Ausbildung werde immer moderner, digitaler – die Kreishandwerkerschaft werde es auch und sei auf Instagram und Co. dementsprechend gut vertreten. Deshalb glaubt Romano, dass es über die digitalen Kanäle in Zukunft wieder mehr Auszubildende geben werde. Momentan ist das leider nicht der Fall.
Dazu ergänzt Grit Behrens: Ein weiterer Grund für die Lehrlings-Misere sei die Tatsache, dass immer mehr Jugendliche – unterstützt von ihren Eltern – versuchten, einen höheren Schulabschluss zu erreichen. „Der Trend zum Abitur und der Folge zur Aufnahme eines Studiums hat schon seit längerem zugenommen. Diese Schülerinnen und Schüler fehlen den Unternehmen als Auszubildende!“ Das sieht man am Ausbildungsmarkt. Obermeister Romano hat dazu Zahlen parat: „2020 gab es im Gesamthandwerk 466 Ausbildungsverträge.“ 454 und somit zwölf weniger seien es in etwa bis Ende des dritten Quartals 2021 gewesen.
Wie Marcus Krause, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Stormarn, beisteuert, fehlten aktuell 15 Azubis. Er geht davon aus, dass Ende Dezember im Gesamthandwerk 480 Ausbildungsverträge unterzeichnet seien, 580 wären aber kein Problem.
Somit „könnten wir in allen Handwerksberufen 100 Lehrlinge mehr ausbilden!“ Aber ebenso wie der Obermeister ist auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft zuversichtlich, dass es wieder aufwärts gehe. Eine Ausbildung im Handwerksgeflecht habe Zukunft. Das sei unverändert so, sagt Krause und verweist wie Romano auf einen wichtigen Aspekt: „Die Ausbildungsvergütung ist gut!“
Abschließend merkt Grit Behrens von der Arbeitsagentur an: „Wir appellieren für das kommende Ausbildungsjahr an die Jugendlichen und auch ihre Eltern, die jetzt wieder zunehmenden Angebote zur Berufsorientierung zu nutzen und auch den Fokus wieder stärker auf den Berufseinstieg über eine duale Ausbildung zu legen. Die Stormarner Unternehmen wollen ausbilden. Sie benötigen in allen Bereichen Nachwuchs, für den sich sehr gute Übernahme- und Entwicklungsmöglichkeiten bieten.“