. Finn Fischer
Schlechtes Wetter und die Corona-Pandemie haben sie an diesem historischen Tag nicht aufgehalten. Mehr als 50 Menschen haben am internationalen Holocaust-Gedenktag in Bad Oldesloe der Toten des Nazi-Regimes gedacht. Am Mahnmal vor dem Bahnhof und den beiden Stolpersteinen am Kirchberg und in der Hindenburgstraße wurden Kundgebungen abgehalten.
Was mit Worten und Ausgrenzung begann, gipfelte in einem beispiellosen Völkermord. Der Holocaust forderte das Leben von sechs Millionen Juden. Grausam ermordet in regelrechten „Todes-Fabriken“ wie dem Vernichtsungslager Auschwitz, das am 27. Januar 1945 befreit wurde.
Neben Juden wurden auch andere Regimegegner und Minderheiten wie Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen oder Homosexuelle vernichtet. Kurzum jeder, der nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten passte. „Umso schlimmer ist es, dass heute Judenhass und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland wieder grassiert. Antisemitismus ist mitten unter uns und nicht nur am äußersten Rand“, sagte die Oldesloer Bürgerworthalterin Hildegard Pontow (CDU) in ihrer Rede am Gedenkstein auf dem Bahnhofsvorplatz, der an die Opfer der Todesmärsche am Ende der Nazi-Herrschaft erinnert.
„Mit großer Sorge betrachte ich Demonstrationen und sogenannte Spaziergänge gegen das Impfen, die häufig ausarten und mit rechten Parolen gespickt sind“, so Pontow weiter. Währenddessen drohen die Erinnerungen an das Dritte Reich mit der Zeit zu verblassen.
Mittlerweile ist die Befreiung des NS-Vernichtungslagers Auschwitz 7 7 Jahre her. So gibt es immer weniger Zeitzeugen, die die Massenmorde überlebten. Seit 1996 wird am 27. Januar in Deutschland der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. 2005 machten die Vereinigten Nationen den Tag zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust.
„Mit der Befreiung von Auschwitz beginnt die sogenannte Endphase des Verbrechens, die bis zum Kriegsende angehalten hat“, sagte Hendrik Holtz vom „Bündnis gegen Rechts“. An diese Zeit erinnert auch das Mahnmal am Bahnhof. Denn die Todesmärsche, bei denen tausende Opfer der Nationalsozialisten 1945 durch das Land getrieben wurden, führten auch durch Stormarn. Es war die letzte und für viele eine tödliche Erniedrigung, die die Juden und andere Regimegegner ertragen mussten, bevor Nazi-Deutschland kapitulierte.
„Wer sich ein wenig mit der Forschungsliteratur beschäftigt hat, weiß, dass die Aufarbeitung immer noch nicht abgeschlossen ist“, so Holtz. Noch immer gebe es zahllose anonyme Gräber.
Erschreckend für ihn sei da umso mehr, „dass wir wieder in einer Zeit leben, in der der Begriff Volksverräter von einigen Menschen wieder ungemein einfach ausgesprochen wird.“ Auch werde wieder versucht, ein verzerrtes Weltbild aufzubauen, in dem vermeintlich „alte deutsche Strukturen das Heil bringen und eine freie Republik das Schlimmste sei, das abzulehnen ist.“
Damit spielt Hendrik Holtz auf die sogenannte Querdenker-Bewegung an und auf Begriffe wie „Corona-Diktatur“. „Es sind dieselben Lügen, die schon einmal ausgesprochen wurden“, so der Lokalpolitiker: „Wir sind heute hier, weil wir die Lehren der Geschichte gezogen haben.“
Auch in Bad Oldesloe forderte die NS-Zeit zahlreiche Opfer. An zwei erinnern Stolpersteine. Einer von ihnen befindet sich in der Hindenburgstraße vor der Volksbank und gedenkt Hans Wöltje. Er wurde von den Nazis umgebracht, weil er Mitglied der Zeugen Jehovas war.
Ein weiterer Stolperstein ist auf dem Kirchberg in das Pflaster eingelassen, der von Robert Kersten. Der Oldesloer ist 1944 von den Nazis im Konzentrationslager Neuengamme ermordet worden. Kersten war Eisenbahner. Zum Verhängnis wurde ihm sein politisches Engagement. Er war erst Mitglied der KPD und ist später dann in die SPD eingetreten. Das reichte schon aus, um als Regimegegner zu gelten.