Stormarner Tageblatt 24.03.2022
Ukraine-Flüchtlinge leben in verdrecktem Zimmer im ehemaligen Oldesloer Schwesternwohnheim
Patrick Niemeier
Es sind Bilder, die erschrecken und die man hinter den Kulissen der großen Hilfsbereitschaft für Geflüchtete nicht erwartet hätte. Während es viel Lob für die große Hilfs- und Spendenbereitschaft in der Bevölkerung und das ehrenamtliche Engagement gibt, landen aktuell manche Geflüchtete aus der Ukraine in Bad Oldesloe in einer verlebten, heruntergekommenen Flüchtlingsunterkunft.
Aufgefallen war der Zustand der Unterkunft im ehemaligen Schwesternwohnheim in der Kastanienallee, nachdem zwei Oldesloer Familien acht ukrainische Kriegsflüchtlinge zunächst privat untergebracht hatten. Unter den Geflüchteten sind unter anderem eine Mutter mit ihren Kindern sowie vier ältere Flüchtlinge über 70 Jahre. Diese registrierten sich laut der Helfer ordnungsgemäß in Bad Oldesloe. Vor einigen Tagen sei dann durch die Stadt Bad Oldesloe eine Unterbringung in der Kastanienallee ermöglicht worden.
Laut Tom Winter von der Stadtfraktion, der mit den Helfern im Kontakt war, wurde der Wunsch, die Unterkunft zunächst zu besichtigen, durch die Stadtverwaltung abgelehnt. Es soll geäußert worden sein, dass die Geflüchteten entweder diese Unterkunft nutzen oder dass es auf absehbare Zeit keine andere Möglichkeit mehr gebe.
Durch diese Aussage habe man sich genötigt gefühlt, die Unterbringung anzunehmen, da eine private Unterbringung auf Dauer keine Lösung sein konnte. Dass auf die bereits traumatisierten Flüchtlinge und ehrenamtliche Helfer ein emotionaler Druck ausgeübt wurde, sei nicht vertretbar, sagt auch der partei- und fraktionslose Andreas Lehmann. Gemeinsam mit Winter ist er der Auffassung, dass das Vorgehen sogar rechtlich bedenklich sei.
Noch erschreckender als die offenbar komplett misslungene Kommunikation seitens der Stadtverwaltung war aber der Zustand der angebotenen Zimmer. „Ich war vor Ort und habe mir ein Bild von den Zuständen gemacht. Auch Björn Wahnfried von der SPD war in der Unterkunft. Wir sind erschüttert“, sagt Lehmann. Mehrere Geflüchtete seien in Tränen ausgebrochen, als sie den Zustand der Räumlichkeiten sahen. Sie kamen zum Teil zunächst erstmal wieder privat unter.
Teile der Räumlichkeiten in der Kastanienallee sind komplett verlebt und verdreckt. Küchenschränke und ein Ofen unnutzbar, die Matratzen passten zum Teil nicht zu den bereitgestellten Betten. Als Antwort sollen die Geflüchteten die Aussage bekommen haben, sie könnten sich diese ja passend zuschneiden. Gemeinschaftseinrichtungen wie Küche, Bad und Waschmöglichkeiten waren in einem Zustand, der bei der Besichtigung als „menschenunwürdig“ angesehen wurde.
Die Geflüchteten griffen kurzerhand selbst zu Pinsel, Farbe und Reinigungsmittel, um wenigstens oberflächlich in ihren Räumen angemessene Wohnverhältnisse herzustellen. „Das was dort passiert ist zum Teil menschenunwürdig und die Zuständigkeit für diese Unterkunft liegt bei der Stadt Bad Oldesloe“, sagt Lehmann. Gemeinsam mit der SPD, den Grünen, der Linken, der CDU, der FBO und der FDP fordert er die Verwaltung jetzt dazu auf, Stellung zu beziehen, wie die Bedingungen in den Unterkünften kurzfristig und deutlich verbessert werden sollen. Es müssen umgehend Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, sind sich die Fraktionen der Stadtvertretung einig.
„Man muss sich die Frage stellen, ob auch diziplinarische Maßnahmen beziehungsweise Versetzungen von Mitarbeitern in der Stadtverwaltung notwendig werden, die offenbar überfordert oder für bestimmte Aufgaben nicht geeignet sind.“
Die Koordination der Stadtverwaltung müsse sich in diesem Bereich deutlich verbessern. Die Kommunikation mit den ehrenamtlichen Unterstützern und den Geflüchteten auch seitens der zuständigen Mitarbeiter sei unangemessen bis inkompetent. „Man muss sich die Frage stellen, ob auch disziplinarische Maßnahmen beziehungsweise Versetzungen von Mitarbeitern in der Stadtverwaltung notwendig werden, die offenbar überfordert oder für bestimmte Aufgaben nicht geeignet sind“, sagt Lehmann.
Kürzlich hatte Bürgermeister Jörg Lembke gesagt, die Stadt bereite sich gut – und sogar besser als andere Kommunen – auf die Ankunft der Geflüchteten vor.
Das Bild, das sich den ehrenamtlichen Helfern aber auch den Stadtverordneten in der Unterkunft bot, habe diese Behauptung nicht stützen können. Abgesehen von der akuten Situation, stelle sich die Frage, warum es überhaupt dazu kommen konnte, warum der Gesamtzustand der seit 2016 durch die Stadt betreute Gemeinschaftsunterkunft so schlecht sei.
Es müsse alles dafür getan werden, dass den Geflüchteten ein menschenwürdiger Empfang und eine saubere und lebenswerte Unterkunft geboten werde, fordern die politischen Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung. Die Verwaltung gab auf Nachfragen seitens des Tageblatts zu den Vorwürfen und Kritikpunkten gestern kein Statement ab. Das sei nicht möglich, weil man sich nicht mehr mit dem Bürgermeister zu den Punkten abstimmen könne, hieß es am frühen Abend.