Volker Stolten
Die gute Nachricht vorweg: Der Slogan „Das Handwerk hat goldenen Boden“ gilt heute genauso wie damals. Und ein duales Studium ist ein gutes Fundament für das bevorstehende Berufsleben. Die schlechte Nachricht: Obwohl sich Handwerk, Firmen und Unternehmen auf allen (Social-Media-)Kanälen präsentieren, hängt der Ausbildungsmarkt weiter am Tropf und kränkelt gewiss noch die nächsten Jahre.
Zu wenig Nachwuchs, zu viele freie Stellen
Davon gehen Kathleen Wieczorek, die Chefin der Arbeitsagentur Oldesloe, sowie die Fachfrauen und -männer nach einem großen Ausbildungstreffen gestern in der Kreisstadt aus. Die Gründe für die anhaltende Misere in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg sind vielschichtig.
Erstens: Die Baby-Boomer-Jahre sind vorbei.
Zweitens: Es gibt weniger Jugendliche, als es freie Stellen gibt.
Drittens: Die Nachwehen der Corona-Pandemie: Zahlreiche Präsenzveranstaltungen zur beruflichen Orientierung und Berufsberatung fielen weg, Praktika waren nicht möglich, Berufsmessen fanden nicht statt.
Viertens: Zweifel bei jungen Leuten: „Es mag auch eine Unsicherheit, wie sich die Branchen zukünftig wirtschaftlich entwickeln, eine Rolle gespielt haben“, erklärt Kathleen Wieczorek: „Diese hat dafür gesorgt, dass sich Jugendliche entschieden haben, Ausbildungswege jenseits der Lehre einzuschlagen, den Schulbesuch zu verlängern oder den Einstieg in eine Ausbildung zu verschieben.“
Dabei seien diese Sorgen um ihre Chancen auf dem Ausbildungsmarkt unbegründet. Unternehmen hätten ihre Ausbildungsangebote zu jeder Zeit auf hohem Niveau gehalten. Ferner sei die Stormarner Wirtschaft allgemein gut durch die Pandemie gekommen, merkt Christian Maack, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, an und wirbt wie Dr. Ulrich Hoffmeister, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer Lübeck, und die Agenturleiterin für eine duale Ausbildung.
Die Azubis in spe für das duale System zu interessieren und zu gewinnen, müsse eines der Ziele sein. Dafür hat das Berufsberatungsteam inzwischen das Präsenzangebot an Schulen ausgebaut und intensiviert. Alle Teilnehmer des Azubi-Gipfeltreffens appellieren an Jugendliche, die sich noch nicht beworben haben: „Die Ausbildungsangebote sind da und die Chancen, selbst kurzfristig für dieses Jahr noch eine Ausbildungsstelle zu finden, sind besser denn je!“ Bis April dieses Jahres fiel die Zahl der bei der Agentur für Arbeit registrierten Bewerber gegenüber den Vorjahren deutlich zurück: Bezogen auf beide Kreise sind es 1126 Jugendliche (Stormarn: 548, Herzogtum Lauenburg: 578) – die niedrigste Zahl seit 20 Jahren.
Das Lehrstellenangebot setzt sich wie folgt zusammen: 2172 (Stormarn: 1344, Herzogtum Lauenburg: 828) – der vierthöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Davon sind noch 1342 Ausbildungsstellen vakant (Stormarn: 795, Herzogtum Lauenburg: 547). Ungeachtet dessen suchen 566 Bewerber (Stormarn: 269, Herzogtum Lauenburg: 297) noch eine Lehrstelle.
Diesbezüglich spricht Agenturchefin Kathleen Wieczorek die Unternehmen direkt an: „Die sollten jetzt nochmal aktiv werden und zum Beispiel wieder in großem Umfang Praktika für Schüler anbieten. Jeder fehlende Azubi heute ist eine fehlende Fachkraft von morgen!“